Kleinstadteintopf

Dienstag, 17. Mai 2005

Erschreckendes hoch drei

Ich weiß wirklich nicht, was erschreckender ist: Die Tatsache, dass ein Großteil der Blogeinträge, die sich über meine Kleinstadt finden lassen, den Hundertwassbahnhof oder das Umsteigen in diesem Ort im Allgemeinen zum Inhalt haben, die Tatsache, dass mich das nicht im Geringsten wundert oder die Tatsache, dass sich die seltenen Ausnahmen mit so Dingen wie einem dörflichen Playboybunny befassen. Wahrlich, ich lebe in einer merkwürdigen Umgebung.

Kleinstadtelli wird Superstar?!

Der aufmerksamen Leserschaft wird es nicht entgangen sein: Kleinstadtelli interessiert sich sehr fürs Historische, ist auch nicht abgeneigt, in den Reenactment-Bereich reinzuschnuppern, liest furchtbar viel und ist auch sonst gut unterwegs. Doch damit nicht genug: Kleinstadtelli singt auch. Unter der Dusche. Vorm Computer. Und gelegentlich auch in ein Mikrofon als Sängerin der Band NTK, wobei das „K“ nicht für Kleinstadtelli steht. Leider ist „gelegentlich“ an dieser Stelle Platzhalter für „viel zu selten“, was nicht einmal an Zeitmangel, sondern an mangelnder Terminkoordination der Beteiligten liegt.

Manchmal fragt der eine oder andere interessierte Mensch nach Hörproben, meistens wird der Bitte entsprochen. Die Reaktionen sind unterschiedlich, doch zum Glück blieben uns vernichtende Kritiken bislang erspart. Und nun wurde zum ersten Mal das Unwort „Superstar“ in Verbindung mit meinem Namen verwendet. Meine ersten Assoziationen – Daniel Küblböck, Alexander, Dieter Bohlen – konnte ich erfolgreich, wenn auch mit Mühe, unterdrücken. Schließlich ist die Musik von NTK absolut nicht Retorten-Band-tauglich, hat sie ihr Wurzeln doch im eigens geprägten Couch-Punk, streift gelgentlich den Independent-Bereich und wird wohl auch im Folkrock und sogar Black-Metal Inspiration finden. Und außerdem fehlt uns dreien das modische und kosmetische Verständnis, um so aalglatt wie die Superstar-Kandidaten daherzukommen.

Und mal ganz ehrlich: Wer will schon Superstar sein? Das gilt nicht einmal nur für die aus dem Boden gestampften Stars, deren Halbwertzeit mitunter nicht einmal eine Woche beträgt, sondern auch für die Künstler, die es eben wirklich geschafft haben und „ganz oben stehen“, wie es so schön heißt. Diejenigen Menschen, die ohne Perücke und Sonnenbrille nicht aus dem Haus gehen können, wenigstens dann nicht, wenn sie einmal nicht von ihren Fans belagert sein möchten. Mal ganz abgesehen davon, dass ich schon bei 20 Zuschauern übelstes Lampenfieber habe. Wie soll sich das erst bei 200.000 Leuten anfühlen?

Mittwoch, 11. Mai 2005

Grauenhafte Kleinstadterlebnisse

„Erleben Sie die Kleinstadt, fahren Sie nach Hamburg!“, ist einer der Sätze, die die Kleinstädter in meiner Kleinstadt nicht nur sagen, sondern auch ganz ernst so meinen. Und das nicht etwa, seitdem der kleinstädtische Bahnhof Hundertwasser geweiht ist und so, so, so und so aussieht. Nein, auch schon vorher, da er mehr an wilhelminische Zeiten erinnerte und allenfalls höchst merkwürdige Gestalten dort anzutreffen waren. Eingeweihte Kleinstädter waren in diesen dunklen Zeiten immer höchst pünktlich am Bahnsteig, um sich von der morbiden Tristesse möglichst wenig anstecken lassen zu müssen.

Auswärtige, die das Pech hatten, in der Kleinstadt umzusteigen und womöglich auch noch Wartezeit einplanen mussten, durchliefen eine schwere Prüfung, die für die meisten wohl nur betäubt durch Alkohol zu ertragen war. Aber das, was dieser Dame im Winter 1997 widerfahren ist, wünsche ich niemandem. Meinem ärgsten Feinde nicht. Und zum Glück ist das – wenigstens für meine Kleinstadt – in dieser Härte nicht mehr möglich. Die so freundlich bezeichnete Gaststätte, die nur eine üble Spelunke war, ist nämlich einer fröhlich-freundlichen Bar gewichen, deren Tee durchaus Durst löscht und dessen Essen mehr als nur bekömmlich und ganz ohne Gummi gemacht ist.

Übrigens kann ich mir kaum vorstellen, dass der Bahnhof damals Heimstatt kleinstädtischer Geister war. Schließlich haben sie die Wahl, im Gegensatz zu Kleinkriminellen, die in Hessen komische Dinger drehen.

Freitag, 6. Mai 2005

Vatertag in der Kleinstadt

Morgens, halb zehn in der Kleinstadt, 5. Mai 2005: Kleinstadtelli wird gar lieblich geweckt von gröhlenden Männerstimmen, bezaubernd untermalt vom Rattern des Bollerwagens. Richtig. Vatertag. Obwohl es selbst für kleinstädtische Männer – die wenigsten Herren, die sich da im Namen des Vaters gepflegt oder ungepflegt besaufen, sind schließlich Väter – eine starke Leistung ist, um diese Uhrzeit schon in Gröhlstimmung zu sein.

Da ich mich nicht dazu überreden konnte, die schalldichten Fenster zu schließen, begleitete mich das Gegröhle – in unterschiedlichen Abstufungen – den ganzen Tag. Schön, wenn man später die Toten Hosen gröhlen hört, die können das wenigstens. Die DVD Live in Buenas Aires passte sehr gut zum Tag. Campinos Versuche, die drei Sprachen Deutsch, Englisch und Spanisch zu vereinen waren charmant, wenn auch erfolglos. Und dann dieser Sprechchor: „Osen! Osen!“ Mit scharfen „s“, irgendwie stark an „José“ erinnernd. Nicht zu vergessen den „Eisgekuhlten Bommelunda“, den ein Zuschauer zum Besten gab.

Wenn man dann noch hört, dass man vor sechs Jahren nur deshalb nicht gnadenlos angebaggert worden ist, weil jener Mann dem Gerücht aufgesessen war, Kleinstadtelli wäre drei Jahre jünger als sie ist - und damit zu dem Zeitpunkt noch minderjährig -, kann es kaum noch besser kommen. Es sei denn, man bekommt einen stark Vatertagsgeschädigten ans Telefon, dessen Artikulation schon nach einem Wort erkennen lässt, dass er anderntags einen furchtbaren Kaer haben wird. Was für ein schöner Tag. Sehr gut für die Lachmuskeln.

Dienstag, 3. Mai 2005

Von Politikern, bei denen der Groschen viertelpfennigweise fällt

Die Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt meiner Kleinstadt sind – offen gesprochen – total uninteressant. Das ist seit Jahren so und verschlimmert sich beinahe schon monatsweise. Doch die Ratsherren der Stadt – deren Sitze beinahe schon vererbt werden – haben eine ganze Menge gegen Karstadt, H & M und C & A, schließlich sind sie selbst teilweise Besitzer von Klamottenläden und müssten sich ja bei mehr Konkurrenz mehr anstrengen. Es ist noch nicht zu ihnen durchgedrungen, dass, wenn es kein namhaftes Geschäft gibt, die Leute gleich in die nächste Stadt fahren, wo sie dann natürlich in den kleinen, spannenden Läden weiterbummeln, egal ob sie etwas bei Orsays, Woolworth, Karstadt, New Yorker und C & A gefunden haben oder nicht. Was gut ist für Leute wie mich, die eben gleich die kleinen, ausgefallenen, liebevollen Läden aufsuchen, die sich nicht trotz, sondern wegen der namhaften Konkurrenz halten können.

Die Ratsherren meiner Kleinstadt verfallen allerdings eher auf die Idee, ein neues Hotel in der Innenstadt zu bauen – wo zwei Hotels gerade Insolvenz angemeldet haben – und, etwas außerhalb, auf dem Gelände des Wochemarktes ein neues Einkaufszentrum zu pflanzen. Die Eigenwerbung ist aus mir unbekannten Gründen der Meinung, dass eben jener Wochenmarkt der schönste Norddeutschlands ist. Das dürfte sich allerdings erledigen, wenn die jahrelangen Bauarbeiten und am Ende der bestimmt sehr idyllische und formschöne Klotz von einem Einkaufszentrum die Ruhe beim Schlendern über den Markt erheblich stört und die Kunden sich dann frecherweise vermehrt überlegen, doch gleich beim nächsten Bauern um die Ecke einzukaufen.

Doch jüngst, so war in meiner Tageszeitung zu lesen, fuhren ein paar Herren der CDU-Fraktion in eine andere, übrigens sehr schöne Kleinstadt, die früher ähnliche Probleme hatte und heute nur noch mit ihrer miserablen Bahnanbindung zu kämpfen hat. Und wie haben die’s gemacht? Kaufland und Karstadt in der Innenstadt angesiedelt. Klar, dass die Herren diese Top-Secret-Information wie eine nobelpreisverdächtige Idee verkaufen. Geht halt alles etwas langsamer in der Politik. Dummerweise sitzt die CDU im Stadtrat grad in der Opposition, also dauert es wohl noch ein paar Jahre, bis diese Idee mal endlich umgesetzt wird und man irgendwann tatsächlich einmal in meiner Kleinstadt einkaufen kann.

Donnerstag, 28. April 2005

Großstädter sind zufriedener

Großstädter sind statistisch gesehen glücklicher als Kleinstädter oder Dörfler. Habe ich gelesen. Vor einem Jahr etwa. Die betreffende Studie kam auch zu dem Ergebnis, dass der Takt der Großstädter schneller ist. Also alles ist irgendwie hektischer. Sie gehen schneller von A nach B. Und so fort. Den Takt hatte ich schon drauf, als ich noch gar nicht in der Großstadt arbeitete. So hörte ich an allen Kleinstadt-Ecken und -Enden, dass ich geradezu durch die kleinstädtische Innenstadt rennen würde. Stimmte auch. Viele Dinge standen immer auf meinem geistigen Zettel, die eigentlich eine Stunde benötigen würden, obwohl ich nur eine halbe Stunde Zeit hatte. Komischerweise ist es heute nur noch selten so. Mein geistiger Zettel ist zwar immer noch überfüllt. Aber dem hektischen, meist mit bösem Gesicht begleiteten Durch-die-Gegend-Gehetze in der Großstadt, lieblich untermalt vom aggressiven Gehupe der wie wild durch die Gegend rasenden Autofahrer, kann ich nach wie vor nur innere Ruhe entgegensetzen.

Wo bleibt eigentlich die Studie für leidenschaftliche Kleinstädter, die voll beruflich und teilweise privat dem Großstadtleben ausgesetzt sind und sich damit arrangieren? Auf das Ergebnis wäre ich wirklich gespannt.

Von Großstädtern, die Kleinstädter nicht verstehen II

"Du fährst echt jeden Tag ne Stunde hin und ne Stunde zurück? Das geht doch gar nicht! Willst du dir nicht mal ein Zimmer nehmen?"

Mal abgesehen davon, dass sich nach einem solchen Satz Szenen wie diese abspielen, haben Großstädter eine andere Sicht zum Thema Pendeln. Selbst ich kenne zwei Großstädter, die - obwohl sie in der gleichen Großstadt wohnen, in der sie arbeiten - annähernd so lange wie ich zur Arbeit brauchen. Aber so einige Großstädter scheinen zu denken, dass sich Bahn fahren grundsätzlich vom U-, S-Bahn- oder schlimmstenfalls Busfahren in der Form unterscheidet, dass Bahnfahren irgendwie schlimm sein muss. Komisch. Irgendwie. Aber wahrscheinlich war das vor bald zwei Jahren Grund genug für zwei potenzielle Arbeitgeber, mich nicht einzustellen, weil sie meinten, die Gurkerei würde mir zuviel werden. Merkwürdig.

Von Großstädtern, die Kleinstädter nicht verstehen

"Wenn du was erleben willst, musst du doch eh immer in die Großstadt fahren. Bei euch gibt's doch nur Dorfpartys."

Solche Aussagen können Kleinstädter in eine Sinnkrise stürzen. Schließlich finden die Dorfpartys in den umliegenden Dörfern statt. Partys sind in meiner Kleinstadt grundsätzlich spärlich gesät. Aber es müssen nicht immer Partys sein. Weder tölpelhaft-dörfliche noch lifestylelastige-großstädtische. Das entspannte Sit-In in der Stammbar um die Ecke reicht durchaus. Wo ich doch so gern quatsche.

Freitag, 22. April 2005

Kleinstädter und Parkgebühren

Es kommt nicht nur mir häufiger so vor, als wären die Stadt-, Rats- und Gemeindeherren des Landkreises meiner Lieblingskleinstadt der Meinung, die Bürger und Besucher wären Kühe, die man bloß melken muss, damit ordentlich Geld in die Kassen fließt. Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man im ehemaligen Zonenrandgebiet lebt. Scheint mir.

Aber auf die eine oder andere Einnahmequelle wäre ich gar nicht gekommen. So muss man zum Beispiel in der einzigen anderen und noch viel kleineren Kleinstadt meines Landkreises fürs Parken bezahlen, obwohl die Parkmöglichkeiten sicher völlig ausreichend sind. Schließlich will da niemand hin, es sei denn, er macht eine Kur. Es ist ja eigentlich logisch, dass die Parkgebühren in der großspurig „Innenstadt“ getaufen Ansammlung von wenigen, eher weniger überzeugenden Geschäften die paar Leute, die vielleicht dort einkaufen würden auch noch vergraulen. Aber immerhin spült eine solche Aktion verschwindend geringe Einnahmen in die Kasse. Wer braucht da noch Gewerbesteuer, Arbeitsplätze oder eine belebte „Innenstadt“?

Die Verantwortlichen des Nachbarkreises beispielsweise verzichten in jeder ihrer Städte auf Parkgebühren, schon allein, um den florierenden Tourismus zu unterstützen. Aber das ist wohl viel zu langfristige, gut überlegte Politik. Das geht nun wirklich nicht. Im Landkreis meiner Kleinstadt.

Freitag, 18. März 2005

Erlebnis Bahnsteig

Es gibt sehr seltene Momente, in denen ich mich - als notorische "Mein Handy muss alles können, telefonieren ist nebensächlich"-Antistreiterin - geradezu gräme, dass ich keine Möglichkeite habe, mit meinem Handy Schnappschüsse zu machen. Es gibt einfach Motive, die sind schwer bis gar nicht in Worte zu fassen.

So sah ich doch heute auf dem Nebenbahnsteig meines Zuges, der mich zurück in die Kleinstadt bringen sollte, die erste Entgleisung dieses Sommers, obwohl der noch lange nicht in Sicht ist: Ein Mann, der trotz der Bierflasche in seiner Hand noch wirkte, als hätte er alle Sinne beisammen, schoss den Vogel der Geschmacklosigkeit ab.

Seine schulterlangen, stufig geschnittenen schwarzen Haare waren ob des übermäßigen Gebrauchs der Geltube völlig ihrer natürlichen Bewegungsfreiheit beraubt. Ihr unnatürliches Glänzen ließ meine vielbemühte Augenbraue augenblicklich hochschnellen. Das Hemd, das er trug, ließ mich jedoch schockiert innehalten: Kurzärmlig, knallorange, mit undefinierbaren und ebenso sinnlosen wie übeflüssigen Mustern bedruckt kam es daher, was mir ein mitleidiges Lächeln entlockte. Doch noch als viel schlimmer erwies sich die Tatsache, dass der gute Mann offensichtlich kaum Lust gehabt hatte, dieses Hemd auch vernünftig zuzuknöpfen. Und so hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, seine mehr als stark behaarte Brust bis zu seinem Bauchnabel bewundern zu dürfen.

Jetzt weiß auch ich - trotz des immer regenverhangenen Himmels und nicht wegen der zum Glück höher gestiegenen Temperaturen -, dass der Frühling naht. Mit all seinen wunderbaren Sonnenstrahlen, grünen Bäumen, sprießenden Blumen und all seinen modischen Entgleisungen.

Dabei wäre es mir wirklich lieber gewesen, mich wie Lunula auf die Eröffnung der mittelalterlichen Saison zu freuen. Leider hatte ich noch gar keine Zeit, meinen Terminkalender entsprechend zu bestücken. Das steht aber - erst recht nach diesem Hemd-Erlebnis - ganz oben auf meiner Prioritäten-Liste. Gleich nach einem langen, bedächtigen, erholsamen Spaziergang im Wald.

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Stimmt. Ich war auch...
Stimmt. Ich war auch ziemlich entgeistert. Habe 'ne...
Trojaner2304 (Gast) - 26. Apr, 09:09
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Ich finde das "Ministerium für Liebe" - ebenfalls Orwell...
DonJuergen - 25. Apr, 18:51
Das passt doch sehr gut!
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DantesMuse - 19. Apr, 10:41
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Ani72 - 19. Apr, 08:35
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Ani72 - 18. Apr, 22:35
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DantesMuse - 18. Apr, 21:12