Mittwoch, 14. März 2012

Warum auch ich daran Schuld bin, dass ganze Urheberrechts-Verfolgungsgesellschaften in die Grütze gehen werden

Bislang nannte ich die Truppe, die ihre Kunden seit Jahren konsequent als Verbrecher sieht, ganz fantasielos Verwertungs-Mafia. Fefe nennt sie anlässlich ihres letzten Coups Urheberrechts-Verfolgungsgesellschaften, das gefällt mir viel besser. Der Coup an sich allerdings gefällt mir ganz und gar nicht.

In Belgien nämlich kam so eine Truppe auf die Idee, öffentliche Bibliotheken ein wenig schröpfen zu wollen. Die sollen nun zahlen, wenn in diesen - zugegeben öffentlichen - Räumen Kindern vorgelesen wird. Nein, stopp, das würden sie natürlich niemals tun, das wäre ja auch schrecklich empörend. Ich muss mich wirklich entschuldigen, ich scheine doch immer noch im Modus „Verbrecher“ zu sein, nicht in dem Modus „auf Knien dankender Kunde“.

Deswegen ist hier eine Klarstellung nötig: Die Büchereien sollen nur dann zahlen, wenn sie eine Veranstaltung organisieren, bei der Kindern vorgelesen wird. Das ist ja nun wirklich etwas ganz Anderes! Die Truppe, pardon, die Urheberrechts-Verfolgungsgesellschaft namens Sabam, muss ja nun auch sehen, wo sie bleibt. Und wo kommen wir denn hin, wenn es in öffentlichen Büchereien Veranstaltungen gibt, die Kinder an Bücher heranführen? Jedenfalls dann, wenn die Urheberrechts-Verfolgungsgesellschaften davon nichts haben?

Man muss sich diese Events ja auch mal genauer anschauen: In meiner Kleinstadt etwa gibt es allwöchentlich eine Veranstaltung, die sich Bilderbuch-Kino nennt. Das muss man sich mal vorstellen! Bei diesem Bilderbuch-Kino wird den Kindern nämlich nicht nur vorgelesen, nein, nein, die Bilder aus den Bilderbüchern werden außerdem noch als Dia an die Wand projiziert. Wenn das mal nicht schon verdächtig nach kino.to klingt!

Das kann so eine Urheberrechts-Verfolgungsgesellschaft schon an den Bettelstab bringen – auch wenn die Veranstaltungen kostenlos sind und hauptsächlich von Kindergartengruppen besucht werden, auch wenn die Dame, die das veranstaltet, wohl kaum mit dieser Tätigkeit auch nur ihren Urlaub auf Sylt finanzieren kann, schon gar nicht so standesgemäß, wie es etwa für niedersächsische Ministerpräsidenten üblich zu sein scheint, jedenfalls, wenn ihr Nachname an das Bellen eines Hundes erinnert.

Nein, ich muss die werten Leser darum bitten, den Einwand hinter dem Gedankenstrich aus dem Protokoll zu streichen, das tut hier wirklich nichts zur Sache. Die Lage ist ernst! Sabam scheint weder ein noch aus zu wissen, wenn der Laden diesen Hilfeschrei ausstoßen muss. Da reicht eine Dose Mitleid einfach nicht aus.

Mich tät’s auch nicht wundern, angesichts der bedrohlichen Lage, wenn diese Forderung noch ausgeweitet wird, dahingehend nämlich, dass das Vorlesen für Kinder in Büchereien generell eine Stange Geld geben muss. Natürlich, weiter oben klang das noch absurd, aber man muss doch wirklich auch die Fakten bedenken!

Ich habe da noch ein Beispiel aus meiner Kleinstadtbücherei, eines, in dem mein Knirps aus urheberrechts-verfolgungsgesellschaftlicher Gesicht eine sehr unrühmliche Rolle spielt, ach nee, ich, als Mutter, natürlich. Denn dieser Knirps hat doch tatsächlich vor kurzem erst zwei viel größeren Kindern aus einem Buch vorgelesen – so lautstark, dass da mindestens die halbe Bücherei etwas von hatte (nun ja, die ist halt nicht so groß, Kleinstadt eben). Der Einwand, dass der Knirps noch gar nicht lesen kann, kann hier nicht gelten: Schließlich hat er sich ja die Bilder angeschaut und daraus eine Geschichte gezimmert. Die konnte man zwar auch nicht ganz verstehen, weil dem Knirps so manches Mal noch die Worte fehlen und er dann irgendetwas vor sich hinnuschelt, aber dafür ist er wirklich Meister im ganz laut nuscheln. Zu seiner Zeit wird das wahrscheinlich die neue Disziplin im Heavy-Metal-Bereich, Extreme-Nuschling, dann wird er berühmt, verdient ganz viel Geld, aber die arme Urheberrechts-Verfolgungsgesellschaft, tja, die ist bis dahin längst in die Grütze gegangen, und selbst wenn nicht, hat sie von des Knirpsens Erfolg ja nun auch nichts.

Und dann die zwei Kids, die des Knirpsens Publikum waren: Die haben bestimmt auch nur deswegen geguckt wie eine Kuh, wenn’s donnert, weil ich kriminelle Rabenmutter nicht gleich frohlockend gerufen habe: „Na, jetzt muss ich aber mal schauen, welcher Urheberrechts-Verfolgungsgesellschaft ich da gleich mal einen ordentlichen Batzen Geld überweise!“

Ich sollte mich wirklich was schämen!

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