Montag, 16. April 2012

Das nette Internet schlägt zurück

Einer der Gründe, warum ich keine Spiegel-Abonnentin mehr bin, war – neben dem Hauptgrund Zeit – die Tatsache, dass so mancher Autor das Prinzip „Internet“ bis heute nicht verstanden hat. Ich erinnere mich an einen Beitrag, der in der Beilage KulturSpiegel erschien. Die Überschrift hätte eigentlich lauten müssen: „Internet-Bashing – hübsch fürs Feuilleton aufgerüscht“, aber so was sagt man ja nicht im Feuilleton, deswegen sorgte die Überschrift leider nicht für eine bleibende Erinnerung.

Der Inhalt schon. Der Schreiberling (kann auch eine Frau gewesen sein, wegen der Sache mit der bleibenden Erinnerung vermag ich das heute nicht mehr zu sagen) vertrat eine Ansicht, die mir damals wie heute abenteuerlich vorkam und kommt. Das Internet ist nämlich, so die Meinung des Schreiberlings, gar gruselig im Vergleich zu Zeitungen und Fernsehen. Der User an sich kann sich nämlich abschotten gegen „anders“. Er liest halt nur noch die Sachen, die seine Meinung widerspiegeln, kommuniziert nur noch mit Leuten, die seine Meinung teilen und kommt mit „anders“ schlicht nicht mehr in Berührung.

Bei den Medien Fernsehen und Zeitung kommt er, so die Meinung des Schreiberlings, aber an „anders“ gar nicht vorbei. Und wenn’s bei der Zeitung nur die Überschrift ist, die ein „anderes“ Thema außerhalb der Welt des Users, pardon, in dem Fall: des Lesers, berührt, oder ob sich die Couch-Kartoffel dann wirklich die Tagesschau bis zum Ende anschaut, weil man das als Fernsehkonsument halt so macht: Diese nicht-digitalen Medien zwingen Menschen angeblich dazu, sich auch mit anderen Themen auseinanderzusetzen, als die, die einem gefallen. So der Schreiberling.

Es gibt Argumentationsketten, die mich wirklich sprachlos machen. Die des Schreiberlings ist so eine. Das kommt nicht oft vor und es ist mir auch ein wenig peinlich, aber ich erhole mich wieder und zicke dann halt beim nächsten Artikel ein wenig, und der argumentiert so ähnlich. Versprochen.

Ende Februar nämlich schlug Spiegel online in die gleiche Kerbe. Damit das auch rockt (ja, werter Leser, hier sind Sie leider nicht im Feuilleton gelandet), wurde der Artikel dann auch gleich „Debattenbeitrag“ genannt. Deprimierend: Der Autor ist im gleichen Jahr geboren wie ich.

Immerhin: Fernsehen ist auch doof, so die Quintessenz. Auch einseitig, dafür „gemein“. Das Internet, natürlich auch einseitig, ist nach der Denkweise „nett“ und lässt uns in der Seifenblase der Banalitäten schweben. Und das ist natürlich auch nicht gut, weil die wichtigen Themen, leider ohne Seifenblase, neben uns ungebremst ins Nichts stürzen.

Es ist ja nicht so, dass ich nicht denken würde, wichtige Themen würden viel zu oft ungebremst ins Nichts stürzen. Daran nun aber dem Internet die Schuld in die Schuhe zu schieben, ist schlicht armselig. Als hätte Bundespräsident Weizsäcker nicht auch Dreck am Stecken gehabt, nur mal als Beispiel. Das Thema fiel damals auch ins Nichts, nicht des Internets, sondern der Maulfaulheit der Journalisten wegen. Als wäre es nicht möglich, sich völlig unpolitisch, vielleicht noch wählend, aber dann ohne Sinn und Verstand, zugedröhnt mit Dschungelcamps und Austausch-Muttis durchs Leben zu schlagen, ohne die Verantwortung zu übernehmen, deutscher Bürger zu sein, der die Privilegien, die er hat und die in jüngster Zeit nicht eben durch großen Nachwuchs sondern dadurch auffallen, dass sie immer weniger werden, dass er also diese Privilegien verteidigt, sich einmischt, Stellung bezieht und wenigstens ansatzweise informiert ist. Und als Zeitung reicht für diese Menschen ja ohnehin das Ding mit den großen Buchstaben aus.

Aber hey, ich bin nicht ganz fair: Der Autor beschränkt das Internet auf die sozialen Netzwerke, so scheint‘s. Der eigentliche Gegenpart wäre also eigentlich der Stammtisch. Da, wo früher ganz natürlich Politiker, Akademiker, Landwirte, Prolls und Handwerker zusammengesessen haben und sich in epischer Breite über die Situation der Bauern in Burkina Faso unterhalten haben. Blödsinn? Stimmt. Die „Filter Bubble“, die der Autor in seinem gleichnamigen Buch beschwört, ist hauptsächlich in Texten zu finden, die über so Dinge wie „Filter Bubble“ schreiben.

Das Internet ist genauso gut dazu geeignet, Menschen blöd oder informiert zu machen, wie andere Medien auch. Es ist zwar besser, weil es viel leichter ist, Informationen publik zu machen, der Kostenfrage wegen, schlechter oder gar „netter“ jedoch ist das Internet ganz bestimmt nicht. „Nett“ ist nämlich auch eine Pizza. Das Internet bietet Nettigkeiten, Frotzeleien, Unterhaltung – aber auch mehr knallharte Informationen, als Phoenix je ausstrahlen könnte. Der Mensch, der das Medium nutzt, muss halt nur danach suchen. Finde ich übrigens viel spannender als weiterzappen. Aber das nur am Rande.

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