Dienstag, 9. August 2011

Impfgegner haben keine Argumente

Impfgegner gibt es, solange es Impfungen gibt. Die Argumente sind so unsinnig, dass sie eigentlich ignoriert werden könnten, und doch sind sie so präsent in der Gesellschaft, dass ich so lange ich denken kann, ein kaum fassbares Unbehagen dem Impfen gegenüber empfand, Großmutter noch im Ohr, die der Meinung war, dass die beste Immunisierung immer noch darin besteht, die Krankheit zu überstehen und dass Kinderkrankheiten heutzutage nur deswegen »weggeimpft« werden, weil keiner mehr die Zeit investieren will, sich um ein krankes Kind zu kümmern.

Ja, werte Leser, auch in meinen Ohren klingt das heute äußerst absurd, aber auch ich war mal ein leicht beeinflussbares Kind. Und mal ganz ehrlich: Auf der einen Seite meine Oma, die mir erzählt, wie viel gesünder Krankheiten doch sind, die ich, als Geimpfte, nicht hatte, also auch nicht beurteilen konnte, wie elend es einem mit den weggeimpften Krankheiten eigentlich geht, von tödlichen Folgen ganz zu schweigen.

Ich Knirps denke also nur an schulfrei und mütterliches Betüdeln. Auf der anderen Seite diese vermaledeite Piekserei, die unter Umständen auch noch eine drei Tage schmerzende, tennisballgroße Beule hinterlässt. Klar, dass da das Impfen nicht gut abschneidet.

Nun wuchs ich also heran mit einem gewissen Unwohlsein dem Impfen gegenüber, habe mich trotzdem ab und an gegen Grippe impfen lassen, hörte weiterhin immer mal wieder etwas davon, dass Impfen ja gar nicht so gut ist, und scherte mich nicht weiter drum.

Bis, ja bis, ich selbst als Mutter mein Kind durch den Impfmarathon schleusen sollte. Ganz spontan war ich für das Impfen, aber diese diffuse Gefühl sorgte dafür, dass ich mich erst einmal schlau gelesen habe. Nicht bei Impfgegnern. Sondern beim Robert-Koch-Institut, genauer: in einem Buch eines langjährigen Mitarbeiters des Robert-Koch-Instituts. Die Argumente dort waren derart überzeugend, dass sich sämtliche diffusen Impfängste verflüchtigt haben, zumal ich sehr froh bin, nicht auf die Erfahrung, beispielsweise Windpocken gehabt zu haben, zurückblicken zu müssen. Das Buch lässt sich recht kurz zusammenfassen:

1. Durch die zahllosen Impfungen, speziell die im Kleinkindalter, ist ganz einfach zu dokumentieren, dass die Nebenwirkungen tatsächlich nebensächlich sind. Die schlimmsten Nebenwirkungen hat die Tetanus-Impfung, dass ist die, bei der sich oben beschriebene, schmerzende Beule entwickeln kann. Das lässt sich aber leider nicht ändern bislang.

2. Die vielen Impfgegner würden sich mit Freuden darauf stürzen, wenn die Impfungen wirklich üble Nebenwirkungen hätten. Es sind ganz wenige Fälle bekannt, nach denen Geimpfte gestorben sind, in allen Fällen ließ sich aber nachweisen, dass der Tod aus anderen Gründen eingetreten ist.

3. Die WHO hatte vor, bis 2010 die Masern auszurotten, wie es der Menschheit ja auch mit den Pocken gelungen ist. Möglich wäre das, weil Masern - wie die Pocken - menschgebunden sind. Hat aber nicht funktioniert, den Impfgegnern sei dank.

Mit dem Wissen im Gepäck konnte ich meinem Sohn bei jedem Piekser mit dem Brustton der Überzeugung sagen, dass so ein kleiner Piekser besser als eine schwere Krankheit ist. Gebrüllt hat er nach der Impfung trotzdem, mit ein wenig Trösten war das aber schnell vergessen.

Dieses Wissen machte mich aber auch sensibel den Argumenten der Impfgegner gegenüber. So habe ich mal eine Diskussion auf SWR Radio verfolgt, in der es um die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs ging. Der Wissenschaftler, der entdeckte, dass Gebärmutterhalskrebs auch von Viren ausgelöst werden kann, und der einen Impfstoff entwickelt hat, der zumindest einige dieser Viren ausschaltet, hat übrigens den Nobelpreis für Medizin bekommen. Und zwar genau dafür. So schlecht kann seine Arbeit also nicht sein.

Zu dieser Diskussion war auch eine Impfgegnerin geladen, die mit diffusem Geschwafel aufwartete, dass sich aus meinem Kopf verflüchtigt hatte, bevor es überhaupt da angekommen war. Ein »Argument« blieb übrig: Sie bemängelte, dass durch diese Impfung ja längst nicht alle Viren ausgeschaltet würden, also lohne sich das ja nicht. Warum? Na, weil Frauen ja immer noch Gebärmutterhalskrebs bekommen und die Kosten für die Impfung doch gesellschaftlich nicht tragbar wären. Und was ist mit denen, die dank Impfung keinen Gebärmutterhalskrebs bekommen?, fragte einer der Teilnehmer. Ihre Antwort war so wenig überzeugend, dass ich auch diese vergessen habe.

In das gleiche Horn stößt offenbar auch ein gewisser Herr Martin Hirte in Bezug auf Masern. Der meint nämlich:

Die Immunität durch die Wildmasern ehedem war zuverlässiger, nur mit mehr Opfern verbunden.

So nachzulesen im EsoWatchBlog, der zu Recht beklagt, dass das Sommerloch bei der Welt offenbar dazu führt, Impfgegnern ein Forum zu bieten, auf dem sie ihre diffusen Ängste verbreiten können. Ich wiederhole: Diffuse Ängste, keine Argumente. Nirgends.

Und wer immer noch Impfängsten frönt, dem sei gesagt: Auch die Immunität durch eine durchlittene Pesterkrankung war zuverlässiger, mit Verlaub. Möchte deswegen jemand die Pest zurück? Den Schwarzen Tod, der die Gesellschaft nachgerade zerrüttete, halb Europa auslöschte?

Das Prinzip »Impfen« ist meiner Meinung nach eine der besten Erfindungen der Medizin, auch wenn, wie zuletzt bei der Schweinegrippe, teilweise mit den Ängsten der Menschen gespielt und die Gefahr hochgeredet wird. Kritisch zu bleiben, nachzudenken, nachzufragen und sich zu informieren, ist auch in puncto Impfen oberste Maxime. Doch Keuchhusten, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Polio, Diphterie, Tetanus, die diversen -kokken, Hepatitis-Arten und Ähnliches, die Teil des deutschen Impfkanons sind, sind sinnvolle und wichtige Impfungen, die Kindern nicht vorenthalten werden sollten, nur weil‹s da diffuse Ängste gibt. Wie argumentiere ich denn als Elternteil vor mir selbst, wenn das Kind eines dieser schweren Krankheiten bekommt, nur weil ich das Impfen irgendwie doof finde?

Ein letztes Beispiel: Es gibt »Rota-Viren«. Die verursachen ziemlich üblen Durchfall, der für Babys und Kleinkinder ziemlich gefährlich werden kann. Die Impfung dagegen ist zwar beispielsweise in Österreich, nicht aber in Deutschland Teil des Impfkanons. Noch nicht. Der Spaß kostet auch nicht wenig. Die Impfung habe ich trotzdem durchführen lassen, weil sich die Rota-Viren gerade in Krankenhäusern tummeln und mein Knirps da öfter hin muss - nicht des Impfens oder der Nebenwirkungen dessen wegen, versteht sich.

Nun ist der Knirps auch in einer Tagespflegestelle untergebracht, wenn ich arbeite, was ihn sehr fröhlich macht, weil er mit anderen Knirpsen spielen, rennen, lachen und Blödsinn machen kann. Eines der anderen Knirpse hatte aber leider kürzlich eine Lungenentzündung, weswegen er ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Die Lungenentzündung überstand er, dafür hatten ihn kurz darauf die Rota-Viren erwischt. Da die hochansteckend sind, sagten mir die Tagesmütter Bescheid, und ich konnte ganz entspannt auf die Impfung verweisen. Ein schönes Gefühl, auch wenn ich mir ein wenig Sorgen machte um den anderen Knirps, der zum Glück schon über drei war, in dem Alter ist die Erkrankung nicht mehr so bedrohlich, aber dennoch. Ich bin mir sicher, dass er auf die Erfahrung verzichten könnte.

Da die Impfgegner seit Jahrhunderten keine stichhaltigen Argumente liefern, sollten wir ihnen lieber 20 Cent für die Parkuhr spenden, nicht mit ihrem Quark das Sommerloch in Zeitungen füllen. Da gibt‹s andere Themen. Das Paarungsverhalten von Blechdosen zum Beispiel. Das wäre wenigstens amüsant.

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Doreen (Gast) - 11. Aug, 13:40

Buch

Wie heißt denn das Buch von dem RKI-Mitarbeiter, bzw. wie heißt der Mitarbeiter? Das würde mich auch interessieren und ich würd's dann bei Bedarf gerne weiterempfehlen können, leider schwirren ja überall nur Buch-Empfehlungen von Impfgegnern herum und auch in Buchhandlungen findet man bloß den Hirte, ein kleines Gegengewicht wäre wirklich super.

Ich bin ganz deiner Meinung, was das Impfen angeht. Ich hatte übrigens noch Windpocken, muss man nicht unbedingt mitmachen...

DantesMuse - 11. Aug, 23:52

Mist. Ich find's so jetzt nicht. Ich hatte es aus der Bücherei ausgeliehen. Ich recheriere das aber gern und kommentiere es dann hier. ;o)
DantesMuse - 12. Aug, 00:20

Impfen - wissen, was stimmt. Friedrich Hofmann. ISBN: 978-3451063091.

Man gut, dass die Kleinstadtbücherei schon etwas digital geworden ist. ;o)
Shhhhh - 12. Aug, 01:51

Mein Sohn ist jetzt 4 Monate alt und hat zwei der drei Impftermine bis zum 6. Lebensjahr bereits hinter sich. Mit stichhaltigen Argumenten kommen ihm also andere, auch wenn er das anders sah. Ich kann absolut nicht verstehen, weshalb auf Impfungen verzichtet werden sollte, nur um dann an dieser Krankheit zu leiden, was einerseits unnötig und andererseits unangenehmer ist als ein kleiner Stich.
Mein Sohn hat gebrüllt, als wollten sie ihm die Beine abschneiden und für mich war das nicht leicht aber im Endeffekt glaube ich, dass es immer die richtigere Entscheidung ist.
Eine Krankheit kann man auf verschiedene Art durchleben und nur weil der Weg der Impfung der kurze "bequeme" ist, heißt das noch lange nicht, dass es der schlechtere Weg sein muss. Wogegen ich allerdings etwas habe, ist die Hysterie, zu der es bei kleinsten Anzeichen einer "Pandemie" immer wieder kommt, heißt sie nun EHEC oder Schweinegrippe. Das sind nicht die Züge, auf die ich aufspringe.

Doreen (Gast) - 12. Aug, 10:37

Danke, ich werd mir das Buch demnächst mal angucken! :)

gero (Gast) - 1. Dez, 17:12

Feedback

Ein sehr schöner Artikel, der die wichtigsten Fakten übersichtlich und aus persönlicher Sicht zusammenträgt.
Schön, dass es auch mal Meinungsbilder gibt, wie man Sie sich im aufgeklärten Zeitalter häufiger wünschen würde.

DantesMuse - 5. Dez, 09:59

Danke für die Blumen.

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