Montag, 11. September 2006

Die Wahl ist aus

Gestern wurde in Niedersachsen gewählt. Nichts Großes, ein paar Bürgermeister nur und Oberbürgermeister, Stadt-, Kreis- und Gemeinderäte.

Das Interessanteste – und auch Beunruhigendste – an dieser Wahl ist eine extrem niedrige Wahlbeteiligung. Im Wahlkreis meiner Kleinstadt beispielsweise sind die Nichtwähler mit 50,2 Prozent stärkste Kraft. Das ist wirklich seltsam. Schließlich ist Kommunalpolitik zwar nicht gerade prestigeträchtig, aber Politik, die die Menschen unmittelbar betrifft – und Politik, die sie unmittelbar beeinflussen können.

Es steht zu befürchten, dass sich die mündigen Bürger in einer Demokratie nach und nach in schulterzuckende Weicheier verwandeln, die vor lauter Schuldzuweisungen an „die da oben“ fast schon freudig übersehen, dass man, um in einer Demokratie etwas zu verändern, auch mal selbst anpacken – und wenigstens wählen gehen – muss. Soweit die traurige Nachricht.

Aber es gibt auch etwas Erfreuliches zu berichten. Bürgermeisterkandidat T., dessen milchbubihaft wirkenden Wahlplakate in meiner Kleinstadt – quer durch alle Schichten – für Belustigung, aber auch für Spott und Hohn sorgte, wurde nicht Bürgermeister. Mit Abstand nicht. Bürgermeister L. bleibt – in Ermangelung einer ernstzunehmenden Alternative. Und dabei befürchtete ich ernsthaft, nun T. als Bürgermeister ertragen zu müssen, der zwar für diesen Stadtrat ziemlich jung ist (seine Homepage meint, er sei 1972 geboren, t-r-e-o schwört auf 1970 und meine Mama beharrt auf 1974 – die ... nun ... Alteingesessenen, also die, die ihren Stadtratssitz quasi vererben, dürften auf einen Altersdurchschnitt von 50 bis 60 kommen), allerdings auch unter der Fuchtel von H. stehen dürfte, der seine wurstigen Finger in so ziemlich jeder „wichtigen“ Organisation meiner Kleinstadt hat. Schützengilde. Oder Stadtwerke. Zum Beispiel. Und wenn der geneigte Leser nun denkt: Schützengilde? Was soll denn daran so wichtig sein? so kläre ich ihn gerne auf: In meiner Kleinstadt verhält es sich nämlich so, dass sich die ganze (männliche) High-Society im Vorstand der Schützengilde die Hand gibt. Und die Wahrscheinlichkeit, dass in geselliger Runde auch mal die eine oder andere Sache abgesprochen und Politik gemacht wird, ist nicht eben klein.

Es stellt sich nun die Frage, warum T. so deutlich (24,43 Prozent gegen 69,85 Prozent) verloren hat. Entweder H. hat sich – wie schon bei der letzten Wahl vermutet – mit L. arrangiert. Verschiedene Faktoren sprechen allerdings nicht dafür. Oder T. ging tatsächlich politisch angeschlagen aus einer Schlägerei im Juli hervor, in deren Verlauf er eine Ladung Bier über den Kopf bekam und sich dann – offenbar tätlich – wehrte. Das Ende vom Lied war ein Hämatom am Auge seines Gegners, eine Platzwunde, die genäht werden musste und eine Anzeige bei der örtlichen Polizei, auf die T. dann mit einem Fax reagierte, in dem er seinem Gegner rechtsradikale Tendenzen unterstellte, wegen derer der den armen T. angezeigt habe. Schließlich sei stadtbekannt, dass T. bei der CDU sei und die Wahlen rückten ja auch näher. Möglich, dass meine Kleinstädter so viel „Anpacken“ dann doch etwas übertrieben finden. Oder – und das scheint mir das Naheliegendste: T. ist wirklich zu jung, nicht nur seines Babyfaces wegen. Meine Kleinstädter sind doch eher – pardon – alte Säcke gewohnt. Tja. Und nun werden wir sehen, ob L. und Anhang nun das eine oder andere bewerkstelligt bekommen. Außer irgendwelche Ampeln zuzuhängen.

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Oliver (Gast) - 24. Okt, 15:27
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... sollen doch nur von den Dingen ablenken, von denen...
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Stimmt. Ich war auch...
Stimmt. Ich war auch ziemlich entgeistert. Habe 'ne...
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DonJuergen - 25. Apr, 18:51
Das passt doch sehr gut!
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