Freitag, 25. März 2005

Kleinstadtellis wunderliches Zusammentreffen mit schwarzem Metall

Kleinstadtelli hat einen guten Freund, der, abgesehen davon, dass er Großstädter und sehr nett ist, auch noch dem Black Metal verfallen ist. Diese Sucht äußert sich allerdings nicht nur im passiven Hören, sondern auch im äußerst aktiven Praktizieren dieser Musik. Nachdem er acht Jahre lang unter dem Namen Sulphur Fire bei Lungorthin Drummer war, schwingt er nun sehr überzeugend für Nachtsucht die Sticks.

Und eben jene Band Nachtsucht, aber auch Lungorthin, Infested und Akrival waren vergangenen Samstag im Fundbureau live zu erleben. Und was eine gute Freundin ist, lässt sich ein solches Ereignis natürlich nicht entgehen, auch wenn sie dieser Musikrichtung mit sprachlosem Staunen gegenüber steht. Gelingt es mir doch in seltensten Fällen, den tiefen, grunzenden Stimmen den Inhalt ihrer Laute zu entlocken und somit den Sinn der Texte wenigstens wörtlich zu erfassen. Außerdem muss ich neidlos anerkennen, dass diese Art des Gesangs, die ich mir sehr anstrengend vorstelle, weit über meine Fähigkeiten hinaus geht. Ich frage mich wirklich, wie die das hinbekommen.

Glücklicherweise wusste ich den Kleinstädter Madman an meiner Seite und so ging es frohen Mutes auf ins Getümmel. HVV und ihrer kompetenten Internetseite sei Dank, war es kein Problem, die Location zu finden und als eifrige Fans waren wir natürlich bereits früher da - viel zu früh, wie sich herausstellen sollte: Die Türen des Fundbureaus konnten wir zwar relativ schnell lokalisieren, aber leider waren sie noch verschlossen und wären wohl nur mit einem Brecheisen zu öffnen gewesen. Da ich so eine Gerätschaft aber weder zu Hause habe noch mit mir herumtrage, musste ich auf die Kommunikation per Handy zurückgreifen. Leider erwies sich das als erfolglos: Denn Handys sind eine tolle Sache, doch können sie sich ihre Lautstärke betreffend leider nicht mit dem Soundcheck von Black Metal Bands messen (wobei Infested GrindDeath spielt, was immer das wohl bedeuten mag) und so verhallten Klingeln und SMS-Gepiepe ungehört.

So hatten wir noch Gelegenheit, das Panorama der vielbefahrenen Stresemannstraße mit ihrer Straßenbahnbrücke und den hohen und mit Graffiti liebevoll verzierten Häusern zu genießen. Zwischendurch hatten wir noch die Möglichkeit, einen Blick auf die Bardame des neben dem Fundbureaus liegenden Lokals (Madman würde Spelunke sagen) zu werfen, die uns und das andere Grüppchen, das mittlerweile eingetroffen war und ebenfalls auf Öffnung wartete, geradezu beunruhigend misstrauisch beäugte.

Schließlich konnten wir die heiligen Hallen betreten und den lieblichen, aus irgendeinem Billig-Horrorfilm entsprungenen Zombie betrachten, der mittels Projektor an eine der Wände geworfen war. Der noch andauernde Soundcheck aus dem Konzertraum nebenan mischte sich melodiös mit dem Rattern der S-Bahn, die über unseren Köpfen in schöner Regelmäßigkeit entlang brauste. Ich war doch sehr froh, als die Bar vom – wie sich im Laufe des Abends herausstellen sollte – netten und fähigen Barkeeper Daniel endlich eröffnet wurde und ich das Gefühl, furchtbar fehl am Platze zu sein, endlich mit einem Becher Wasser und einem Becks herunter spülen konnte.

Endlich begann das Konzert, Nachtsucht war die erste Band und Madman und ich navigierten - als ehrenamtliche Fotografen - die Spiegelreflexkamera zielsicher an den wehenden Haaren der moschenden Fans vorbei. Es war das erste Mal, dass ich nicht auf die Stimme, sondern auf den Drum achtete - vielleicht kam er mir deswegen auch am melodischsten vor. Vom - sogar deutschen - Gesang habe ich exakt drei Worte verstanden: Tod, Sterben und vereint. Eine Unterhaltung zu viel späterer Stunde mit dem Sänger ergab allerdings, dass er zwei Worte davon überhaupt nicht gesungen hatte. Da lernt man Booklets mit Songtexten erst richtig zu schätzen.

Das Gefühl, fehl am Platze zu sein, wurde übrigens relativ schnell sehr gut weggespült von lieben Menschen, die einen hierhin und dorthin zogen, sich über dies und das zu unterhalten bereit waren und fröhlich knuddelnd manchmal an ein Hippie-Event denken ließen. Die Einzelheiten zu erläutern, würde am Ende dieses furchtbar langen Beitrags zu weit führen, doch eine Anekdote möchte ich nicht auslassen: War es schon beim Auftritt von Nachtsucht furchtbatr schwierig, das moschende Gegenüber zu verstehen (und nicht etwa des Moschens, sondern der Lautstärke wegen), erwies sich das bei den Folgebands als geradezu unmöglich. Jeglichen Worten, die dem Mund meines Gegenübers enströmten, konnte ich nur sehnsüchtig hinterher starrren.

Ich musste nun schon öfter erleben, dass der Wind in dieser Stadt einem nicht nur nicht nur das Wort aus dem Munde, sondern auch die Luft zum Atmen nehmen kann, aber dass Musik so laut sein kann, dass selbst der verzweifelte Versuch, dem Gegenüber etwas ins Ohr zu hauchen, was der dann auch verstehen kann, kläglich scheitert, habe ich – als sogar im Journalisten-Graben-stehende Wacken-Besucherin – noch nie erlebt. Kommt so etwas eigentlich ins Buch der Rekorde?

Hochachtung von mir als unwisende Alles-möglich-Hörerin auch für die Leistung an dieser Stelle. Ich kann mich an keinen Abend erinnern, dem ich mit gemischteren Gefühlen begegnet bin, und der diese dann ganz anders aufgemischt hat. Und als ich dann zu später Stunde erfuhr, dass der Gig bzw. die Gigs nicht etwa vom Fundbureau bezahlt, sondern privat (und das super) organisiert worden waren, kannte meine Hochachtung – und das bis heute – keine Grenzen.

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