Freitag, 8. September 2006

Bildung in der Kleinstadt

Es ist wirklich erstaunlich, dass meiner Tageszeitung nun, zum Schulbeginn, so einige Dinge auffallen, die in den Schulen meiner Kleinstadt schon seit Jahren schief laufen. Im Jahre des Herrn 2004 wurden in Niedersachsen Orientierungsstufen abgeschafft. Das heißt: Nach der vierten Klasse – statt wie vorher nach der sechsten – werden die Schüler in Realschulen, Gymnasien und Hauptschulen transferiert. Zeitgleich wurden die Schuljahre bis zum Abitur auf 12 heruntergesetzt. Und dann wäre da ja noch diese Ganztagsschulenkiste, die der Pisa-Studie und der Frauen-sollen-Kinder-kriegen-Debatte wegen durchgedrückt werden sollte und natürlich Nachmittagsbeschäftigung und Verpflegung erfordert. Das führte in wenigstens einem der zwei Gymnasien meiner Kleinstadt zu chronischer Überfüllung – in Zahlen: Statt 700 gibt’s nun 1200 Schüler. Seit 2004, wohlgemerkt.

So gibt es zum Beispiel 2 Musikräume für alle Klassen, die von 5 Musiklehrern unterrichtet werden. Die Mittagspause ist eine kleine Wanderschaft, damit die Schüler wenigstens halbwegs alle versorgt werden können. Aber was soll man sich beschweren? Immerhin spendiert eine der Grundschulen ein paar Räumlichkeiten für ein paar Stunden. Also in der 20-Minuten-Pause ab zur anderen Schule gerast. Ja, gerast ist der richtige Ausdruck, denn Kleinstadt hin oder her, der Weg ist zu Fuß in 20 Minuten kaum zu schaffen.

Der blanke Hohn: Die Schule hat noch nicht mal einen Pausenraum oder Ähnliches. Ist im Winter sicher richtig lustig, wenn 1200 Schüler wie tumbe Wegelagerer in den Gängen kleben. Doch halt: Die Allerglücklichsten können noch einen Platz in der Bücherei ergattern. Lernen kann man ja gefälligst zu Hause. In dieser Schule ist das kaum mehr möglich. Und das, wie gesagt, seit 2004.

Händeringend hofft die Schulleitung wenigstens auf einen Aufenthaltsraum, damit die Schüler dort in den Freistunden lernen oder Hausaufgaben machen können und sich die Situation wenigstens etwas entspannt. Das Land Niedersachsen hebt achselzuckend die Hände und stellt kein Geld zur Verfügung. Meine Stadt ist sowieso notorisch pleite und gibt das vorhandene Geld lieber anderweitig aus.

Und damit das nicht so auffällt, fordern die Herren Stadträte von der Schule ein schlüssiges Konzept. Die bewilligten (!) Planungskosten rücken die Herren aber lieber erst mal noch nicht raus. Vielleicht hoffen sie ja auf das Improvisationstalent der Schulleitung – schließlich kann die Schützengilde das Geld bestimmt auch gut gebrauchen.

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Stimmt. Ich war auch...
Stimmt. Ich war auch ziemlich entgeistert. Habe 'ne...
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DonJuergen - 25. Apr, 18:51
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