Freitag, 12. August 2005

W. O. A. – Matschiger als die Hölle

Sollte ich das diesjährige W. O. A. mit einem Wort beschreiben müssen, würde mir sofort „matschig“ einfallen. Tatsächlich bin ich schon seit Sonntag zurück in meiner Kleinstadt, völlig matschfrei sind meine Hosen, mein langer Rock und mein Mantel jedoch immer noch nicht. Von den Stiefeln, die teilweise unter den Matschschichten kaum mehr zu erkennen waren, gar nicht zu reden. Und wenn ich matschig sage, meine ich matschig. So matschig, um genau zu sein – obwohl mein Toyota geradezu blitzsauber weggekommen ist im Gegensatz zu diesem ursprünglich weißen Auto. Kein Wunder, dass ich bereits wenige Stunden nach meiner Anreise - am Donnerstag Abend gegen 23 Uhr – zu dem Schluss kam, dass ich einfach zu alt für solche Eskapaden bin.

Wenn man sich nun das und die Tatsache auf der Zunge zergehen lässt, dass ich mir gerade mal vier Bands angeschaut habe, könnte man auf die Idee kommen, dass ich die 80 Euro (plus 20 fürs Campen) auch irgendwie besser hätte anlegen können. Aber weit gefehlt. Schließlich kampierten wir auf Parkplatz C, direkt gegenüber vom Festivalgelände, was den unübertrefflichen Vorteil hatte, dass man die Bands wunderbar verstehen konnte – erheblich matschfreier, als auf dem Gelände selbst. Außerdem war der einzige wirkliche musikalische Grund meines Festivalbesuchs die Cantus Buranus von Corvus Corax, deren Auftritt – wie erwartet – mal wieder atemberaubend war. Es mag zwar etwas komisch anmuten, wenn eine Band wie Corvus auf der True Metal Stage spielt, doch das Orchester hätte auf eine der kleineren Bühnen wohl kaum Platz gehabt. Erstaunlicherweise war auch der Platz vor der Bühne gut mit Publikum gefüllt. Anzunehmen, dass es der Reiz des Exotischen war, der die selbsternannten Metalheadz zu Corvus lockte. Enttäuscht wurden sie wohl nicht: Ausnahmslos jeder Wacken-Besucher, den ich fragte, war begeistert von der Show und auch der Musik, obwohl sich die meisten das „nicht gerade jeden Tag anhören“ würden. Verständlich. Corvus ist eben das, was man eine geborene Live-Band nennt. Übrigens: Meine „Interview-Partner“ kannten Corvus vor diesem Auftritt nicht – auch nicht weiter verwunderlich.

Nightwish lieferten einen gewohnt routinierten Auftritt, der mich – abgesehen von der atemberaubenden Stimme der Sängerin Tarja – nicht übermäßig vom Hocker gerissen hat. Ich bin allerdings auch verwöhnt – siehe oben. Apocalyptica waren sicher nicht zu verachten, allerdings hatte ich während des Konzerts ganz andere Probleme: Eine Bekannte gehört nämlich zu den Fans, die nicht nahe genug am Geschehen sein können. Leider wusste ich das nicht, als sie mich bei der Hand nahm und mich einem mir unbekannten Ziel entgegenzog. Drei Reihen vor der Bühne war mir klar: Sie will so nah wie möglich an der Bühne stehen. Auch klar, dass ich sie im Moment dieses Geistesblitzes im Gedränge verlor. Habe ich schon erwähnt, dass ich Platzangst habe? Oder dass ich nachtblind bin? Oder dass ich mit meinen kurzen 1,60 Meter Körpergröße und zarten knapp 50 Kilo Gewicht so überhaupt nichts ausrichten kann gegen große, pogende, betrunkene Metalheadz? Nicht zu vergessen der schlammige Untergrund, der jeder Standfestigkeit Hohn lachte. Klar, dass es so kam wie es kommen musste: Nach heldenhaften 10 Minuten, die mir wie 10 Stunden vorkamen, hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, mir den Schlamm etwas genauer anzusehen. Vom Gepoge und Gedrängel aus dem Gleichgewicht gebracht, landete ich – nachdem das Festhalten an Menschen, Jacken, T-Shirts sich als zwecklos erwiesen hatte – zum Glück auf dem Rücken, der durch meinen Ledermantel geschützt war. Sofort streckten sich mir 10 Hände entgegen, um mir aufzuhelfen, was wenigstens meine aufkommende Panik im Keim erstickte. Ein großer junger Mann, dessen Name, wie ich später erfuhr, Benjamin – Spitzname Benno – lautete, hatte die Güte, mich den Rest des Konzertes über festzuhalten. Nebenbei half er noch ganz lässig, die Menschen weiterzureichen, die über unseren Köpfen an uns vorbeizogen. Und getrunken und getanzt hat er natürlich auch noch. Manchmal ist es doch vorteilhaft, ein großer, pogender Metalhead zu sein.

Leider hat dieses Wacken Open Air auch eine wirklich schlimme Nachricht zu vermelden: Das erste Mal in 16 Jahren Festivalgeschichte hat Wacken einen Toten zu beklagen. Ein 37jähriger vierfacher Familienvater ist stark angetrunken mit einem Krankenwagen kollidiert und hat den Zusammenstoß nicht überlebt. Lobenswert: Das Wacken-Team hat ein Spendenkonto eingerichtet und 5.000 Euro für die Familie gespendet.

Zur (groben) Statistik: Mehr als 35.000 Fans mit Eintrittskarte waren in diesem Jahr da, nach Schätzungen der Polizei campten über 50.000 Menschen rund um das Festivalgelände, über 70 Bands traten auf. Ärger gab es auch keinen – außer den gefühlten 20.000 Liter Wasser, die vom Himmel auf uns arme Camper strömten. Pikant: Von den zwei Surprise Acts, die im Laufe des Wochenendes auftraten, war einer – Martin Kesici, der 2003 eine Castingshow bei Sat1 gewann. Und das, „um allen zu zeigen, dass er in der Metalszene zu Hause ist“, wie das Wacken-Team beteuert. Na dann ...

Hier ist übrigens zu lesen, was Metaller angeblich so alles trinken und essen bei so einem Festival. Abgesehen davon, dass Metaller in den seltensten Fällen schwarz geschminkt sind (der Autor wird wohl den Schlamm (!), der so einige Gesichter verzierte, mit Make up verwechselt haben – oder gar schwarz und weiß und Metaller und Goths?), darf der geneigte Leser getrost davon ausgehen, dass die allermeisten Fans Bier oder ähnliche alkoholische Getränke und Gegrilltes bevorzugen. Wer nimmt schon Mixer, Icecrusher oder Gefrierschrank mit zum Zelten?!

Hier und hier kann man sich übrigens auch einen visuellen Eindruck des Festivals verschaffen.

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DonJuergen - 25. Apr, 18:51
Das passt doch sehr gut!
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